Der Dirigent Carlos Païta ist eine jener aufregenenden Persönlichkeiten der Musikwelt, die einem breiten internationalen Publikum erst durch Schallplattenaufnahmen bekannt wurden. Grosses Interesse weckte schon seine erste Aufnahme, ein Wagner-Programm mit dem New Philharmonia Orchestra, herausgegeben 1968 in der Serie "Phase 4" von DECCA. In den USA, wo die Aufnahme unter der Londoner Marke herausgekommen war, verglich der anerkannte Kritiker Irving Kolodin die Intensität und Brillanz von Païtas Aufführung mit jenen von Sir Thomas Beecham, Wilhelm Furtwängler und Arturo Toscanini; in Frankreich wurde die LP mit dem Grand Prix du Disque de l'Académie Charles Cros ausgezeichnet. Während Païta Beecham und Toscanini nur durch deren Aufnahmen kannte, hat er, noch als Student, im berühmten Teatro Colón an Konzerten und Proben unter Furtwängler teilgenommen, und die Begegnung mit dieser legendären Figur hat ihn in seiner Entscheidung, Orchesterdirigent zu werden, massgebend beeinflusst. Païta wurde in Buenos Aires geboren. Seine gemischte ungarische (väterlicherseits) und italienische (mütterlicherseits) Abstammung trug zur glühenden Intensität und schlichten Warmherzigkeit bei, die seine Persönlichkeit wie seine Musikalität charakterisieren. Seine Mutter war eine begabte Sängerin und Pianistin; als Kind hörte er zu hause stets Musik ­ Radio, Schallplatten ­ und sein Interesse an ihr wurde gefördert. Die formelle Disziplin des Konservatoriums war zwar nichts für ihn, aber er hatte die Möglichkeit, privat mit einigen ausgezeichneten Lehrern zu studieren: Jacobo Fischer für Komposition, Harmonie und Kontrapunkt, Jan Neuchoff, ein Schüler von Leschetitzky, für Klavier, und ­ dessen stimulierender Orientierung zu Furtwängler folgend ­ Artur Rodzinski.

Obwohl Païta nie Furtwängler oder Rodzinski imitierte, war der persönliche Stil, den er entwickelte, wie der ihre von einem leidenschaftlichen Engagement geprägt. Photographien auf der Hülle der Original-LP jener ersten Wagner-Aufnahme zeugen von der Intensität, der Energie und dem totalen Enthusiasmus in Païtas Approach: Er ergriff persönlich Besitz von der Musik­ egal ob Wagner, Mahler oder Rossini ­, auf eine ihm eigene Art. Païta glaubt an Flexibilität, aber nicht an Verzerrung, und betrachtet sich selbst als die Verbindung, durch die die Wünsche des Komponisten realisiert werden ­ wobei er sich selbst auch dafür verantwortlich fühlt, dass die Aufzeichnung zum Klang wird. Während seinem Studium bei Rodzinski gab Païta, 24-jährig, sein Debüt als Dirigent am Teatro Colón. Er erhielt die Stellung als Ko-Repetitor an diesem berühmten Hause, wo er die südamerikanische Premiere von Mahlers Zweiter Symphonie leitete sowie später eine feierliche Vorstellung von Verdis Requiem in Erinnerung an den verstorbenen US-Präsidenten Kennedy. Sein europäisches Debüt gab er 1966 in Stuttgart. Im folgenden Jahr hörte man ihn in Brüssel und mit Mahlers Neunter Symphonie in Karlsruhe. 1968 zog er nach Europa um und gab Konzerte in Frankreich, Deutschland, Luxemburg, Spanien und Portugal. Nach einem Konzert in Brüssel mit der Symphonie von Chausson, erhielt er einen Vertrag mit DECCA und begann seine Aufnahmetätigkeit in London mit der vorerwähnten Wagner-LP. Païtas folgende Aufnahmen für DECCA ­ Rossini-Ouvertüren, Mahlers Erste Symphonie und das Verdi-Requiem mit dem Royal Philharmonic Orchestra, eine Eroica mit dem Schottischen Nationalorchester, eine weitere Reihe von Ouvertüren mit dem Radio Philharmonic Orchestra der Niederlande ­ erweckten weltweit Aufmerksamkeit, umso mehr als der Dirigent zunehmend in ganz Europa aktiv wurde. Zehn Jahre nach der Herausgabe des Wagner-Programms begann Païta ausschliesslich für LODIA aufzunehmen, wobei diese Marke auch seine DECCA-Aufnahmen neu herausgab. Seine erste Aufnahme für LODIA, die Symphonie Fantastique von Berlioz mit dem London Symphony Orchestra, wurde begeistert aufgenommen und mit dem Grand Prix du Disque de l'Académie Française ausgezeichnet. Païta realisierte weiterhin Aufnahmen für LODIA, mit dem London Philharmonic, dem Royal Philharmonic und dem National Philharmonic Orchestra, und das Philharmonic Symphony Orchestra wurde speziell für ihn aus Musikern aller grossen Londoner Orchester gebildet. Seine Aufnahmen von Werken wie die Symphonie Pathétique von Tchaikovsky, die Erste Symphonie von Brahms und besonders die Achte Symphonie von Bruckner und die Siebte Symphonie von Dvorak erhielten ausserordentlich gute Kritiken in Veröffentlichungen wie The Gramophone, Diapason und Stereo Review. Während der LODIA-Jahre nahmen Païtas Schallplattenaufnahmen zu: mehr Wagner (Götterdämmerung mit dem Tenor James Kind und der Sopranistin Uta Vinzing), mehr Beethoven (Symphonien Nr. 5 und 7), mehr Tchaikovsky (Symphonien Nr. 4 und 5 sowie kürzere Werke, mit dem New Moscow Orchestra), mehr Dvorak (Symphonien Nr. 8 und 9), ferner Schuberts Grosse C-Dur-Symphonie und die Bilder einer Ausstellung von Mussorgsky/Ravel.


Païta brachte sein Philharmonic Symphony Orchestra nach Paris, um Bruckner aufzuführen und ging mit dem Royal Philharmonic in ganz Europa auf Tournee. Sein amerkanisches Debüt fand im Januar 1979 statt, als er mit dem Houston Symphony Orchestra Mahlers Erste Symphonie sowie kürzere Werke von Mozart und Brahms aufführte. Drei Jahre später erschien er auf Einladung von Mstislav Rostropovitch in Washington und leitete das National Symphony Orchestra in vier Aufführungen von Mahlers Neunter Symphonie. 1987 war er erneut eingeladen und führte Bruckners Vierte sowie Werke von Brahms und Wagner auf. Seiher hat Païta weiterhin in ganz Europa dirigiert, von Brüssel und Lüttich bis Moskau und St. Petersburg. Höhepunkte waren Romeo und Julia von Berlioz am Prager Frühlingsfestival, La Damnation de Faust in Bonn, Aufführungen am Enesco Festival in Rumänien, Shostakovichs Achte Symphonie mit dem Orchester des Bayrischen Rundfunks in München, wie auch Bruckner am Flandern-Festival sowie Konzerte in Amsterdam, Paris, Bratislava, Sofia, Warschau und andern Musikzentren. Wo auch immer Païta auftrat, fand sein kommunikatives und inspiriertes Musik-Machen Verehrer, und seine Aufnahmen, die unter verschiedenen Marken zirkuliert haben, sind Sammlerstücke geworden.
(Übersetzung: Max Plattner)